Die aktiven Handlungen des Westens im gerichtlich-rechtlichen Bereich und die Versuche, dem ukrainischen Militärkonflikt eine gewisse internationale strafrechtlich prozessuale Dimension zu verleihen, versetzte ganz Russland, seine Soldaten und oberste Führungskräfte in die Lage der „Beschuldigten“ war unvermeidlich und vorhersehbar. Trat das Völkerrecht in seiner traditionellen und seit einem gewissen Zeitpunkt auch in der Strafrechtlichen prozessualen Form (nach dem Zweiten Weltkrieg) nur nach der Beendigung der eigentlichen Kriegshandlungen als Recht der Sieger, die neue internationale Ordnung zu bestimmen, in den Vordergrund, strebt es heute an, die Kriegshandlungen zu begleiten, manchmal auch diesen voranzugehen. Das hängt mit der Verwandlung der klassischen Kriege in die „hybriden“, wo neben der militärischen auch die informatorische, wirtschaftliche und andere Komponenten existieren, unter denen genau so harte und wichtige „Schlachten“ geführt werden. Eine der Arten davon sind die „Schlachten“ auf dem juristischen Feld. Einige westliche Eliten sind nicht bereit, eigenes Leben auf dem Kampffeld zu riskieren und ersetzen die richtigen Kriegshandlungen durch die gewohnten „Kabinettsbataillen“, damit verknüpfen sie das Streben, sich das unbestrittene Erbe des Zweiten Weltkrieges anzueignen und dabei den Gegner, der angeblich vor das neue Nürnberger Tribunal gestellt wird, kommunikativ zu dämonisieren.
Verschiedene westliche Handlungen im gerichtlich-rechtlichen Bereich kann und muss man im rein technischen Sinne besprechen, sich diesen entgegenzusetzen, eigene Argumente aufzubauen, die Klagen einzureichen, anfechten usw. Eigentlich darin besteht die Arbeit der Juristen, darunter auch im Bereich des Völkerrechtes. Es wäre aber falsch, einige strategische Gesetzmäßigkeiten außer Acht zu lassen. Falls diese nicht begriffen werden, verwandeln sich alle juristischen Gegenmaßnahmen in die chaotische und recht oft aussichtlose Verteidigung. Dabei geht es eben um die Gesetzmäßigkeiten, die sowohl für den Westen, wie auch für Russland gleich gelten. Der Unterschied ist nur, dass wir heutzutage darüber ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit, sie ideologisch zu verschleiern, offen sprechen können. Der Westen kann sich so etwas nicht leisten. Um welche Gesetzmäßigkeiten geht es? Das sind mindestens drei.
Die erste. Es gibt keine politisch neutrale Rechtsprechung, weil das Gericht eine der Staatsgewalten ist, die die Staatspolitik in der Rechtsform realisiert und ihrerseits die Macht einer bestimmten politischen Kraft wiederspiegelt, die die geltende Verfassungsordnung aufgebaut hat. Die wirkenden Personen können in dieser Macht gewechselt werden, können auch nicht gewechselt werden und schaffen mehr oder weniger personengebundene, demokratische und sonstige Regimes. Die Macht selbst bleibt aber unverändert, jedenfalls im Rahmen der betreffenden Verfassungsordnung, die nur auf dem revolutionären Wege geändert werden kann. Daraus ergeben sich alle heute populären Phänomene vom „Tiefen Staat (deep state)“ usw., in der Tat aber sind sie mit der traditionellen juristisch-politischen Sprache leicht zu beschreiben. Folglich muss man die These über die unabhängige Rechtsprechung nur in diesem Kontext verstehen. Die Unabhängigkeit ist immer und überall sehr relativ, weil die Rechtsprechung losgelöst von dem Staat, dem Verfassungsregime und der politischen Macht, die in diesem Rahmen wirkt, nicht existieren kann. Dabei besteht die Kunst des Rechtes darin, dass das Gericht seine politische Verbindung mit dem Staat nicht als brutaler „Hammerschmied“, sondern als feiner Künstler zeigt, der seine ästhetisch schöne und intellektuell tiefe Konstruktionen im Rahmen des politischen „Korridors“ schafft, in dem er sich befindet. Umso mehr, dass das Ausbleiben der politisch neutralen Rechtsprechung nicht bedeutet, dass es keine politisch neutralen Sachen gibt, das heißt mehrere konventionelle Streitigkeiten, die die „Grundlagen“ nicht betreffen. Eben das Vermögen, „feine“ Rechts- und Gerichtssysteme aufzubauen, das die erfolgreichen Rechtsordnungen kennzeichnet, manche davon sind sogar historisch klassisch geworden, unterscheidet sie von den nicht erfolgreichen.
Die zweite. Internationale Justiz, darunter auch selbstverständlich Strafjustiz ist nicht politisch nicht unabhängiger oder neutraler als nationale Justiz. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt konnte sie nur in äußerst engen Grenzen existieren: beispielsweise Nürnberger Tribunal war ausschließlich als ad hoc Gericht möglich, und das nur in der besonderen Atmosphäre, die unter den Alliierten in den ersten Nachkriegsjahren herrschte. Wäre die Situation noch über Paar Jahre hingezogen, so gäbe es kein Nürnberg, in der Situation des unvermeidlichen Kalten Krieges wäre es schon undenkbar. Gerade deswegen ist bekanntlich aus dem Internationalen UN-Gerichtshof nichts Superpositives geworden, mit dem einmal besondere Hoffnungen, darunter auch von der sowjetischen Seite verbunden waren, allerdings mit dem Verständnis, dass „für die erfolgreiche Tätigkeit des Internationalen Gerichtshofs günstige politische Atmosphäre erforderlich ist, die „nur durch die Einheit der Großmächte, die den Hitlerblock vernichtet haben, gewährleistet werden kann.“1 Die Einheit ist schnell verschwunden und zugleich damit auch die Hoffnungen auf die unabhängige internationale Rechtsprechung, die in der Lage wäre, die Fälle, die mit den Kriegen in Korea, Vietnam, Afghanistan u.a.m. verbunden waren, unvoreingenommen zu verhandeln.
Der Aufschwung in der Entwicklung der internationalen Rechtsprechung ist in der Tat mit der Beendigung des Kalten Krieges verbunden (schon wieder nicht mit dem Beginn, sondern mit der Beendigung), als das gegenwärtige globale Projekt eingeleitet wurde, das heißt der Versuch, die globale politische Macht aufzubauen. Alle supranationale Gerichtsorgane (von dem Internationalen Strafgerichtshof bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) wurden eben als Instrument dieser Macht gebildet oder neu formatiert und konzeptuell haben sie sich von den nationalen Gerichten, die im Rahmen der jeweiligen geltenden nationalen Verfassungsordnung wirken, nicht unterschieden.
An einigen Stellen wurden globale Gerichtsinstrumente feiner aufgebaut, an anderen Stellen nicht so fein, aber dadurch wird nichts geändert. Solange Russland in dieser „globalen Ordnung“ mitgemacht hat, konnte es mit einigen dieser Gerichte zusammenarbeiten, allerdings in der Regel mit Mühe und Not. Die Frage lautet anders: wenn sich Russland der Herstellung der „globalen Ordnung“ entgegentrat, kann es vor diesen Gerichten auf eine gewisse abstrakte Gerechtigkeit und Unvoreingenommenheit hoffen? Diese Erwartungen sind absurd. Das ist etwa das gleiche, wie von dem Obersten Gerichtshof der USA seinerseits auf die Anerkennung der Rechtmäßigkeit des Einmarsches sowjetischer Truppen in Afghanistan oder von dem sowjetischen Gericht die Freisprechung im Fall der „antisowjetischen Agitation und Propaganda zu hoffen und dabei mit der Unbestreitbarkeit dieser oder jener Fakten oder der rein juristischer Argumente rechnen. Daher sind alle unsere Wehklagen über die Doppelstandards und rechtliche Einseitigkeit dieser oder jener Beschlüsse, sei es Jugoslawien, Irak, Südossetien oder Ukraine emotionell verständlich, haben aber in rationeller Hinsicht keinen Sinn. So ist die Natur der Rechtsprechung, darunter auch des internationalen – die Übertreibung der Unabhängigkeit, die nicht gewahrt wird.
Die dritte. Das globale Projekt mit seinen entsprechenden Organen wurde glücklicherweise nicht bis zum Ende realisiert. Im rein juristischen Sinne mangelt es ihm an dem grundsätzlichen Element – die Komponente der Gewalt, weil die Justiz ohne Polizei absolut hilflos ist. Es gibt jedoch keine „Weltpolizei“ und alle Versuche sie aufzubauen (NATO u.a.m.) bedeuten den Einsatz der Streitkräfte, weil es notwendig ist, nicht die Menschen, sondern die Staaten zu zwingen und das ist nicht die Ausführung des internationalen Gerichtsbeschlusses schlechthin, sondern der Krieg mit allen Auswirkungen. Darin besteht übrigens die institutionelle konzeptuelle Schwäche des „globalen Projekts“ (ohne Bezug auf seine Werteseite). Daher müssen die Staaten selbst die Gewaltkomponente gewährleisten, weil es natürlich ein Paradox ist, weil das Projekt, das bestimmt ist, die Staaten zu schwächen oder gar faktisch zu beseitigen, gezwungen ist auf ihre institutionellen Ressourcen aufzubauen, ohne die es nichtig ist. Daraus resultiert die große Rolle der „sanften Gewalt“, der informatorischen Absicherung, der „Schleier“ der Pseudowerte usw., die erforderlich sind, den Staat in die Kooperation zu involvieren und ihn zu zwingen eben als dieser „Polizist“ zu wirken, der die Ausführung der gegen ihn oder seine Amtsträger getroffenen supranationalen Entscheidungen zu gewährleisten, darunter auch im Bereich der internationalen Strafjustiz.
Mit anderen Worten, um den erfolgreichen Prozess gegen S. Milošević zu führen, war es notwendig, nicht nur den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zu bilden, sondern auch Belgrad zu zwingen, nach seinen Regeln zu handeln und S. Milošević in den Haag auszuliefern. Ohne Belgrad konnte der Haag mit seinen Gerichtsinstituten effizient nicht sein oder konnte es nur im Falle der totalen Militärokkupation des ganzen Jugoslawiens sein. Dadurch wird die Situation aus der juristischen auf die rein militärische Ebene überführt.
Nun muss man ausgehend von den skizzierten strategischen Gesetzmäßigkeiten sie an die heutige konkrete Situation der Konfrontation Russland-Westen sowohl in dem ukrainischen Konflikt als auch außerhalb davon anzulehnen, weil die Konfrontation selbst nicht allein auf die Ukraine hinausläuft. Mit anderen Worten geht es schon um einige taktische Schlussfolgerungen, die sich ganz offensichtlich aus den erwähnten Gesetzmäßigkeiten ergeben. Davon gibt es meines Erachtens drei.
Erstens, hat Russland auf dem eigenen, d.h. politisch kontrollierten Gebiet die Freiheit, die Rechtsprechung auszuüben und ihre Formen ausgehend von eigenen geopolitischen, rechtlichen und Werteorientierungen zu bestimmen. Zum anderen ist es durchaus berechtigt, die „externe“ Rechtsprechung vollkommen und bedingungslos zu ignorieren, egal von wem sie auch ausgeht. Wie der prominente französische Verfassungsexperte G. Vedel hervorgehoben hat, bedeutet die Souveränität, dass „der Staat weder Chefs, noch die Statusgleichen, noch die Konkurrenten hat“2, d.h. die Optik des Staates Apriori immer einseitig ist.
Was die Formen der Rechtsprechung betrifft, kann sie sowohl national, als auch international sein, wenn wir es für notwendig erachten werden, einen Teil unserer Gerichtssouveränität an gewisse gemeinsame Gerichtsorgane mit den befreundeten Unionsstaaten zu übertragen. Beispielsweise für die Verhandlung der Sachen über die Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee in Donbass. Dafür reicht es, einen zwischenstaatlichen internationalen Vertrag zu schließen. Das muss man selbstverständlich machen und das Monopol auf die internationale Justiz nicht dem Westen zu überlassen. Dabei muss man sich darüber im Klaren sein, dass die reale internationale Plattform für diese Verträge für uns heute äußerst kompakt ist – mit der Wiederholung des Nürnberger Tribunals ist noch sogar im Rahmen der GUS schwer zu rechnen. Ungeachtet aller futurologischer Gebilde, die mitunter zweifelhaft sind, bleibt das physische Territorium der Schlüsselfaktor bei der Bestimmung der Grenzen für die gerichtlich-rechtlichen Möglichkeiten des Staates.
Zweitens, sosehr Russland auf dem kontrollierten Gebiet souverän ist, sosehr juristisch hilflos ist es auf dem Gebiet der „unfreundlichen Staaten“. Man mag das westliche Rechtsbewusstsein auch respektieren und schätzen, darf man dabei auch nicht vergessen, dass es im institutionellen Bereich nichts Unmögliches gibt. Westliche Gesellschaft ist natürlich kompliziert und inhomogen, darin gibt es auch gesunde Kräfte in unserem Verständnis, die mit uns sympathisieren und manchmal auch bereit sind im gerichtlich-rechtlichen Bereich unter Nutzung dieser oder jener nationalen oder supranationalen Mechanismen zu wirken. Selbstverständlich muss man diese Kräfte allseitig unterstützen. Jedoch können ihre Handlungen zu jedem Zeitpunkt unterbrochen, wenn sie für westliche Eliten reale politische Gefahr darstellen werden, das werden sie genauso hart machen, wie etwa nach dem Beginn der ukrainischen Ereignisse mit Informationskanälen („RT France“ u.a.), der Fall war, die einige Jahre lang an Popularität gewannen und bemühten sich in ihrer Informationspolitik maximal akkurat zu sein.
Da bleibt die externe, rein analytische Sicht der Ereignisse, die sich auf dem „westlichen Territorium“ abspielen, darunter auch unter dem Blickwinkel der Versuche, eine gewisse „internationale Justiz“ für die ukrainischen Entwicklungen aufzubauen. Momentan entsteht der Eindruck, dass die Suche nach den „schönen Lösungen“ gegenüber der juristischen „brutalen Gewalt“ den Vorrang hat. Das hängt wohl mit dem dem Westen innewohnenden Ordnungssinn bei der Arbeit mit den Instituten zusammen, die leicht zu brechen, aber schwer aufzubauen sind. Jedoch gelingt es nicht „schöne Lösungen“ im Bereich eines gewissen internationalen Strafprozesses zu finden. Das hängt damit zusammen, dass die Probleme der Staatssouveränität mit den militärischen Mitteln nicht zu lösen sind und Apriori unmöglich ist diese Beschlüsse gegenüber Russland mit Zwang zu vollstrecken, soweit es auf das gemeinsame juristische „Spiel“ entschieden verzichtet. Aus dem gleichen Grund ist der Westen zu der rein zwischenstaatlichen Variante der internationalen Strafjustiz noch nicht bereit, weil die Entscheidung für dieses Modell bedeutet, dass der Westen seine Ohnmacht als globales Zentrum politisch anerkennt. Seine Ansprüche sind übertrieben und in diesem Sinne ist er nicht spiegelbildlich zu Russland.
Daraus ergibt sich drittens, dass die westliche Suche nach den „schönen“ und Hauptsache mehr oder weniger effizienten Lösungen im Bereich der mit Russland gemeinsamen Plattformen liegen soll, auf denen es möglich wäre, eine Art der internationalen Strafjustiz aufzubauen. Diese Plattformen sollen einerseits entsprechende gerichtlich-rechtliche Infrastruktur besitzen, sonst werden sie nicht legitim aussehen. Zum anderen müssen sie in diesem oder jenem Maße von Russland anerkannt werden, um es in die gerichtlich-rechtlichen „Streitigkeiten“ auf dem internationalen Feld mindestens hineinzuziehen. Was Russland betrifft, muss es eben nicht nach diesen Plattformen suchen, sondern sie definitiv meiden, weil ihre Nutzung nicht gewisse unparteiische Verhandlung der Streitigkeiten (das wäre unbegründete Träumerei), sondern die Versuche bedeutet, in das von Russland kontrollierte rechtliche, folglich auch physische Territorium hin einzudringen.
Mit anderen Worten kann der Westen, um gegenüber Russland mindestens gewisse effiziente Mechanismen der internationalen Strafjustiz aufzubauen, ohne souveräne institutionelle Mechanismen Russlands selbst zu gebrauchen. Das steht natürlich im Widerspruch zu der ursprünglichen Idee, Russland aus allen internationalen Organisationen „auszuschließen“. Diese emotionelle Politik, die ein Instrument des rein psychologischen Drucks darstellt, riskiert später oder früher durch die klügere und juristisch kalkulierte Politik abgelöst werden. Sie kann in Russland aus rein diplomatischen Gründen auf Verständnis stoßen, egal wie darin enthaltenes juristisches „Trojanisches Pferd“ aussehen wird.
Ob solche internationalen Plattformen existieren? Es ist nicht einfach, sie zu finden, jedoch kann man meinen, dass eben in der Suche danach heute die wichtigste analytische juristische Arbeit in Bezug auf Ukraine besteht. Für den Westen sieht OSZE hypothetisch sympathisch aus, wird von ihm durchaus kontrolliert, besitzt jedoch keine legitime gerichtlich-rechtliche Infrastruktur. Selbstverständlich besitzt UNO diese Infrastruktur, aber die Mitgliedschaft Russlands im UNO-Sicherheitsrat blockiert alle Versuche, etwas Analoges zum Internationaler Strafgerichtshof für ehemaliges Jugoslawien zu bilden. Da bleiben nur der Internationale Strafgerichtshof und der Europarat mit dem Menschenrechtsgerichtshof.
Es ist kein Zufall, dass wir gerade in diesem Rahmen das meiste westliche gerichtlich-rechtliche Engagement sehen. Jedoch lösen die Perspektiven, die Mechanismen des Internationalen Strafgerichtshofes im Ernst wirksam zu machen, Zweifel aus. Hätte Russland nach der Unterzeichnung des Römischen Statuts, „sich“ seiner Ratifizierung nur „entzogen“, gäbe es hier ein Fenster der Möglichkeiten für den Westen, wie es im berüchtigten „YUKOS“ – Fall war, sowie mit dem unterzeichneten aber nicht ratifizierten Vertrag zur Energiecharta, als alle russischen Argumente in diesem Fall von UNCITRAL abgelehnt wurden. Aber die äußerst rechtzeitige Verordnung des Präsidenten der RF vom 16. November 2016 Nr. 361-rp über den Austritt aus dem Römischen Statut entzieht dem Westen diesen Trumpf. Natürlich kann der Internationale Strafgerichtshof im Medienbereich wirksam gemacht werden, kann sogar gewisse Ermittlungen oder Gerichtsverhandlungen führen, jedoch sind seine Versuche, ihn gegen Russland zu nutzen, gar keine „schöne Lösung“, sondern eben diese juristische „brutale Gewalt“.
Schwieriger ist es mit dem Europarat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil der Status Russlands in diesen Organisationen nicht ganz verständlich ist. Zum einen gibt es die Erklärung des Außenministeriums über den Austritt, es gibt das Föderale Gesetz vom 11. Juni 2002 Nr. 180-FS. Zum anderen betrifft dieses Gesetz vor allen die Überprüfung der Beschlüsse des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für normale Bürger in Russland. Diese werden entsprechend der Strafprozessordnung der RF revidiert, das ist ein recht enges, sei es auch wichtiges Segment, obwohl die Beschlüsse des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs durch den Bereich der Strafjustiz nicht eingeschränkt werden.
Im Gesetz gibt es auch eine breitere Formulierung (Teil 1, Art. 2 dieses Föderalen Gesetzes). Ihre Grenzen sind doch unklar. Wir haben kein Gesetz über die Nichterfüllung der Beschlüsse, beispielsweise des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschen- und Völkerrechte. So ein Gesetz ist nicht notwendig, weil Russland Apriori kein Mitglied an diesem Gericht ist. Es gibt jedoch das Gesetz über die Nichterfüllung der Beschlüsse des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, das heißt wir halten uns nach wie vor für das Mitglied an diesem Gericht, erkennen seine Gerichtsbarkeit an, nur erfüllen wir seine Beschlüsse nicht (eigentlich war es in manchen Fällen auch früher möglich)? Juristisch drängt sich diese Schlussfolgerung auf.
Ich glaube, dass die Aktivierung der Tätigkeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für die Ukraine, der früher die Übernahme aller Beschwerden gegen Russland suspendiert hat, eben mit dieser Interpretation und dem Bewusstsein für russische Unentschlossenheit zusammenhängt. Hier werden härtere rechtliche Schritte gefragt (analog zum Internationalen Strafgerichtshof), die mit der Auflösung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Protokolle dazu, darunter auch des Protokolls, das die verbindliche Gerichtsbarkeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs anerkennt, zusammenhängen. Dabei soll die Auflösung rückwirkende Kraft besitzen (ab dem 15. März 2022).
Nostalgische Empfindungen über den Fortgang der „Epoche des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs“ sind zu verstehen und zu erklären, obwohl an seinen Altruismus und das Streben, die Rechte des „normalen Russen“ zu stärken, kaum zu glauben ist. Man muss nicht an die Nostalgie oder die schwindenden Illusionen, sondern an die Risiken, sei es auch hypothetischen, die das unvorsichtige Behalten der internationalen Plattformen darstellt, die für den zusätzlichen gerichtlich-rechtlichen Druck auf Russland im Geiste der „internationalen Strafrechtsjustiz“ missbraucht werden können, denken.
- Полянский Н.Н. Предисловие // Хадсон М. Международные суды в прошлом и будущем / Übersetzung aus dem Englischen М., 1947. С. 21.
- Vedel G. Manuel élémentaire de droit constitutionnel / Réédition présentée par G. Carcasson, O. Duhamel. Paris, 2002. P. 103.
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